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CEO Martin Wilhelm und PO Ann-Christin Sauheitl über ihre Implementierung des R&S Design Sprints bei der Heidenheimer Zeitung

Im Rahmen der Transformation ihres Geschäftsmodells etablierte die Heidenheimer Zeitung zur Innovationsentwicklung den R&S Design Sprint. Im Interview berichten Geschäftsführer Martin Wilhelm und Lesermarkt-Abteilungsleiterin Ann-Christin Sauheitl von ihren Eindrücken.

Die Heidenheimer Zeitung ist eine feste Größe in der Medienwelt Süddeutschlands. Das regionale Familienunternehmen blickt auf eine über 165-jährige Geschichte zurück, wird mittlerweile in sechster Generation geführt und beschäftigt rund 100 Mitarbeitende.

Rohbau&Sonnenschein: Martin, 2013 hast du die Geschäftsführung der Heidenheimer Zeitung übernommen und seitdem viele Neuerungen vorangetrieben – wie den Relaunch der Website, die App, den Podcast. Inwiefern sind Innovationen eine besondere Herausforderung für euch als traditionsreiches, regionales Medienunternehmen?

Martin Wilhelm: Als Geschäftsführer ringt man ja ständig um den richtigen Weg. Ob beim Personal, das sich immer wieder – gewollt wie auch ungewollt – verändert, durch den Wandel der Zeit und die Anforderungen der Digitalisierung, die sich beständig weiterentwickeln oder eine Pandemie, die plötzlich ausbricht… Es wird auf jeden Fall nicht langweilig in meinem Job. (Lacht.) Ganz im Gegenteil: Es bedeutet in der Tat eine große Herausforderung, die Abläufe in solch einem Traditionsbetrieb entsprechend zu verändern, respektive das ganze Geschäftsmodell, das doch sehr stark auf den Einnahmen aus Print-Produkten basierte. Dieses zu transformieren und dann auch in alle Köpfe hineinzubringen, ist schon eine Challenge.

Unser Kerngeschäft besteht, von Umsatz und Tätigkeit her, nach wie vor aus Nachrichten. Unser prominentestes Problem ist aber gar nicht mal der Lesermarkt und deren Erlös, der erwirtschaftet wird, sondern eher die Innovationsentwicklung in den Geschäftsfeldern drumherum. Der Fokus liegt sehr stark auf der Frage, wie wir es zusammen mit unseren Kunden und Kundinnen schaffen, unser Geschäftsmodell vom früheren klassischen Tageszeitungsgeschäft in die neue digitale Welt hineinzuführen.

R&S: Und wie seid ihr diese unumgängliche Transformation strategisch angegangen?

MW: Innovationen sind kein Strohfeuer, das man einmal anzündet, sondern müssen iterativ angegangen und stark verinnerlicht werden. 2016 initiierten wir mit der Trend- und Innovationsmanagement-Agentur Trendone einige Workshops, um unsere Belegschaft mal ein bisschen in die Welt zu entlocken, die sich gerade um uns herum bildet. Aus deren Ideation-Prozess resultierte eine Podcast-Serie, die dann auch umgesetzt wurde und super lief. Die Motivation dafür kam von den Kollegen und Kolleginnen selbst – und es war toll, mitzuerleben, wieviel Spaß sie bei dem Projekt hatten.

Wir versuchten dann, einen Weg zu finden, wie wir im Unternehmen Innovationsmanagement aufbauen und etablieren können. So setzten wir uns mit Themenstellungen wie Vision, Mission und Purpose sowie dem Steuerungsmodell OKR auseinander, wodurch wir auch auf die agile Methode Design Sprint kamen.

R&S: Um welches Thema ging es bei eurem ersten Sprint? Was genau wolltet ihr dabei herausfinden?

MW: Hier übergebe ich das Wort gerne an meine Kollegin, die hierbei als Product Owner fungierte. Ann-Christin Sauheitl ist sozusagen ein „Rising Star“ in unserem Unternehmen; begann bei uns ihre Ausbildung, machte ein berufsbegleitendes Studium und übernahm vor etwa drei Jahren die Leitung unserer Abteilung Lesermarkt, der komplett neu aufgebaut wurde. Sie verantwortet also den Bereich, der im Verlag den größten Umsatz mit sich bringt und der deswegen auch am stärksten bei der Frage im Fokus liegt, wie wir diesen am besten ins Digitale transformieren. Dementsprechend ist Ann-Christin in die Produktentwicklung und ins Marketing involviert…

AS: Danke, Martin! In unserem ersten Design Sprint mit R&S, der im November letzten Jahres stattfand, ging es um unseren Newsletter im Bereich Freizeit, Essen, Trinken – SEL abgekürzt, also Shopping, Eating, Leasure – der leider nicht die Reichweite erzielte, die wir uns erhofft hatten. Wir mussten ihn demnach konzeptionell umgestalten, sowohl Design als auch Marketing betreffend. Wer die Inhalte lesen wollte, konnte sich zuvor nur über ein Abonnement einloggen. Der neue Newsletter sollte diese Problematik aushebeln und für alle Interessenten und Interessentinnen zugänglich gemacht werden.

R&S: Wie seid ihr vorgegangen, welche Vorbereitungen mussten vorher noch getroffen werden?

AS: Gestartet sind wir mit dem Problem Framing, um festzulegen, welche Thematik wir genau unter die Lupe nehmen und lösen wollen. Die Fragestellung wurde dann für alle Sprint-Teilnehmer und -Teilnehmerinnen in einer kurzen Präsentation aufgearbeitet. So konnten auch schon die Interviews mit den Probanden für die Vertestung vorbereitet werden. Das war eine ganz neue Vorgehensweise, die wir bis dato noch nicht so kannten.

Innerhalb des Verlags hatten wir uns darauf committed, unsere Kundschaft mehr in Produkte miteinbinden zu wollen. Hier war der Sprint-Prozess eine sehr gute Möglichkeit, um deren Reaktion darauf zu prüfen. Über ein eigens dafür entwickeltes Panel forderten wir sie im Vorfeld aktiv dazu auf, sich regelmäßig zu unseren Produkten befragen zu lassen – und erhielten viele positive Rückmeldungen! Das hat uns insgesamt schon sehr geholfen. Inzwischen sind es nun rund 200 Personen, die sich daran beteiligen.

R&S: Mit welchem Gefühl seid ihr in euer erstes Sprint-Abenteuer gestartet?

MW: Da wir ja noch nicht wussten, worauf wir uns genau einlassen, war das schon sehr spannend. (Lacht.) Natürlich spielte auch etwas Unsicherheit mit, wohin uns diese Reise führen wird; ob wir überhaupt in der Lage sind, in so kurzer Zeit einen Prototyp für einen neuen Newsletter zu erstellen, dabei alles im Blick zu behalten, ohne etwas zu übersehen, und ob wir am Ende das Richtige tun. Wir sind schließlich keine Experten auf diesem Gebiet…

AS: Ich war zu Beginn ehrlich gesagt ziemlich skeptisch, denn ich konnte mir nicht richtig vorstellen, wie sich mit der Sprint-Methode in nur ein paar Tagen ein neues Produkt auf die Beine stellen lässt. Das dann natürlich nicht sofort für den Markt bereit ist, aber generell ein „echtes“ Ergebnis zur Folge hat, was nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch unseren grafischen Vorstellungen entspricht.

R&S: Als Product Owner hattest du die Entscheidungshoheit beim R&S Design Sprint, Ann-Christin. Wie war das für dich, wenn der Geschäftsführer direkt daneben sitzt? Und Martin, wie war es für dich, diese Verantwortung mal abzugeben?

MW: Eigentlich fand ich es ganz angenehm, dass das Spotlight mal nicht auf mich gerichtet war. Und ich mich einfach neben die Kollegen und Kolleginnen setzen konnte, ohne die Erwartung erfüllen zu müssen, das Zepter in die Hand zu nehmen. Außerdem ist das Prinzip des Design Sprints nicht, dass dabei eine Person nach „Monarchen-Art“ durchregiert, sondern ein starker Prozess, an dem alle Mitwirkenden beteiligt sind. Wenn mir beispielsweise ein optisches Detail besser gefällt als das andere, ist das ja auch oft nur meine persönliche Einschätzung. Sind andere in der Gruppe bzw. die Probanden in der Vertestung anderer Meinung, lässt man sich gerne überzeugen und freut sich am Ende auch über das Ergebnis.

Ein großer Bestandteil der agilen Transformation ist es auch, Bottom-up Verantwortung zu fordern und zu fördern, um hierarchische Prozesse zu durchbrechen. So muss man seinen Angestellten schon zutrauen, Entscheidungen treffen zu können, die in letzter Konsequenz auch zu einer Umsetzung führen. Das hilft dabei, die eigene Courage zu entdecken, was ich einen tollen Nebeneffekt finde! Vor allem bei den jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Sprints konnte man das gut beobachten. Denn, ob die eine oder die andere Lösung am Ende die bessere ist und sich deshalb durchsetzt, hat nichts mit der Rangfolge innerhalb einer Gruppe zu tun.

AS: Da das Projekt im Verlag größtenteils in meiner Verantwortung liegt – was auch in unserem OKR Set abgebildet ist – war es naheliegend, dass ich auch als Product Owner in den Sprint gehe. So fühlte ich mich dem schon gewachsen. Decision Maker zu sein, ist aber auch insofern eine Bürde, als dass man am liebsten allen tollen Vorschlägen gerecht werden will.

Wie Martin schon sagte: Ein Design Sprint ist Teamwork! Ich fand es echt schön, zu erleben, wieviel Potenzial in Kollegen und Kolleginnen steckte, die mit dem Projekt vorher noch gar nichts zu tun hatten. Insgesamt habe ich meine Rolle als PO gut angenommen, denke ich. Es ist mir gelungen, mich neutral auf alle Überlegungen einzulassen und wir haben uns auch immer im Team gut abgestimmt. Die eigenen Vorstellungen müssen nicht zwingend die besten sein; man lernt, sich einzugestehen, wenn jemand einen besseren Ansatz hat, an den man selbst noch

gar nicht gedacht hat. Im Endeffekt haben ja alle denselben Ansporn und wollen auf ein gutes Produkt hinaus – und das hat super funktioniert!

R&S: Was hast du als PO von deinem ersten Sprint-Erlebnis als besonders herausfordernd in Erinnerung?

AS: Bei der Versprintung unseres Newsletters war es erforderlich, entgegen unserer Strategie zu arbeiten, da wir freie Artikel zur Verfügung stellen wollten, um mehr Leser und Leserinnen zu generieren. Da muss man sich im Kopf natürlich erst einmal von frei machen… Als weitere Herausforderung empfand ich, sich nicht zu sehr in inhaltliche Diskussionen zu verstricken, um schneller eine Entscheidung treffen zu können, welchen Weg wir denn nun gehen wollen. Das fiel mir bei der Konzeption viel leichter.

R&S: Und nach welchen Kriterien wurden die Teilnehmenden für den Sprint ausgesucht?

MW: Der erste Ansatz war, sich zu überlegen, wer bzw. welcher Bereich am Ende alles von der Entscheidung bzw. dem Produkt betroffen ist. Redaktion, Anzeigenmarkt, Vertrieb – wer kann den besten Input einbringen oder ist hier überhaupt relevant? Wir konnten auch nicht alle mitnehmen, die wir gerne dabeigehabt hätten. Sonst wäre nicht nur die Gruppe zu groß geworden, sondern in bestimmten Abteilungen auch während der Sprint-Tage alles liegengeblieben.

AS: Wir sind insgesamt schon sehr interdisziplinär unterwegs und unsere Abteilungen eng miteinander verstrickt. Das hat natürlich geholfen. Der R&S Design Sprint war auch nicht der erste Workshop bzw. die erste Produktentwicklung, die wir so gemeinsam absolvierten. Deswegen harmonierte es diesbezüglich bereits gut, wenn jeder und jede einen anderen Wissensstand bzw. die eigene Expertise aus seinem Bereich mitbringt.

R&S: Im März fiel der Startschuss für einen weiteren R&S Design Sprint. Welches Produkt brachtet ihr dabei ins Rennen? Und was waren die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zum ersten Sprint?

MW: Es ging um unsere App. Abgehoben haben sich dabei vor allem die Zusammensetzung des Teams und der Hintergrund. Denn die App nimmt eine viel größere Bedeutung für unser Geschäft ein, da an ihr erheblich mehr Umsatzpotenzial hängt und sie sozusagen eine fundamentalere Säule fürs Unternehmen bildet. Deshalb war das „Lampenfieber“ hier noch etwas größer als bei unserem ersten Design Sprint mit R&S.

AS: Ähnlich wie beim Newsletter lag hierbei unser Fokus auch auf der Frage, welche Features und technischen Funktionen wir unseren Nutzern und Nutzerinnen darüber anbieten wollen – abgesehen von Optik, Design und allgemeiner Handhabung. Die Challenge war jedoch größer, weil wir nichts übersehen wollten, jedoch auch versuchten, die App nicht zu voll zu packen.

Drei Wochen später gab es dazu noch einen Iterationssprint, den wir beim Newsletter nicht durchgeführt hatten. Dieser war sehr wichtig für den „Deep Dive“, also noch einmal auf jedes einzelne Feature genau einzugehen und zu prüfen, ob es an der Stelle auch wirklich passt und den Effekt hat, den die Nutzer und Nutzerinnen erwarten würden. So konnten wir sofort auf die Interviewantworten der Probanden reagieren, mit denen unser Prototyp in der ersten Runde vertestet wurde.

MW: Was sehr wichtig war, um dann mit dem angepassten Konzept respektive unserem sehr detaillierten Lastenheft als Grundlage auf die Anbieter zugehen zu können.

R&S: Ihr habt im Gespräch bereits einige positive Auswirkungen der Design Sprint Methode genannt. Was waren für euch weitere relevante Benefits?

MW: Es hat schon einen großen Wert, sich eine Auszeit zu nehmen und nur um ein Thema zu kümmern. Die Ideenvalidierung ist abgehakt und ein Produkt kann in die nächste Phase starten bzw. auf den Weg gebracht werden. Das ist natürlich um Welten effektiver und effizienter, als wenn alles nur so nebenherläuft. Obwohl man dies ja eigentlich von einem Design Sprint erwarten sollte, war ich echt beeindruckt davon, wie schnell sich dabei herauskristallisiert, was man eigentlich genau will und wie man durch die Erstellung des Prototyp direkt im Anschluss dann auch zu einem wirklichen Ergebnis kommt. Für unsere Company ist es immens von Vorteil, in so kurzer Zeit ein fertiges Produkt entwickeln zu können, denn wir hatten oft das Problem, Dinge erfolgreich zu Ende zu bringen oder abzuhaken.

Ein weiterer positiver Effekt, der sich dadurch einstellt, ist ein verbundeneres Miteinander. Alle waren begeistert von der Erfahrung, was man, „bunt zusammengewürfelt“, gemeinsam erreichen kann. Das bringt viel „frischen Wind“ in den normalen Arbeitsalltag und beeinflusst natürlich auch die Unternehmenskultur.

AS: Die Methode begünstigt es zudem, dass man viel eher auch mal „über den Tellerrand“ hinausdenkt, um gute Lösungen zu finden. Ein weiterer signifikanter Aspekt ist für mich die visuelle Umsetzung! Daraus resultiert eine ganz andere Wirksamkeit, als Ergebisse rein in Worten festzuhalten. Nach dem Versprinten unserer App fiel das Feedback unserer potenziellen Anbieter super positiv aus. Es hieß, man hätte selten so eine gute Konzeption erhalten, um sich vorstellen zu können, wie das Produkt am Ende aussehen soll…

R&S: Plant ihr, noch weitere Design Sprints durchzuführen und die innovative Methode als agiles Tool im Unternehmen zu etablieren?

MW: Wir finden die Methode sehr gewinnbringend und würden unser eigenes Management-Skill-Set gerne dahingehend erweitern, dass wir den Design Sprint zukünftig vom Prinzip in kleinerer Art selbst beherrschen. Wenn man sich für den Prozess externe Unterstützung holt, hat das natürlich noch mal einen viel größeren Impact, weil man sich dadurch komplett darauf konzentrieren kann, wirklich an der Sache zu arbeiten und nicht am Prozess. Aber uns rennen irgendwann die Kosten davon, von daher müssen wir je nach Thema und dessen Umfang sowie Relevanz abwägen und entscheiden.

Zu Beginn war für uns aber sofort klar, dass wir uns erst einmal von Experten durch den Prozess leiten lassen, da niemand von uns Erfahrung damit hatte. Es gibt ja manche, die ein Buch lesen und dann einfach alleine loslegen bzw. vielmehr erst einmal herumprobieren. Das trauten wir uns im ersten Schritt nicht zu und wäre auch unangebracht gewesen, da wir schließlich erfahren wollten, wie ein Design Sprint wirklich funktioniert. (Lacht.) Vor allem, wenn man intensiv gechallenged wird, bringt einen das unheimlich weiter. Man hat eine viel steilere Lernkurve und erzielt bessere Ergebnisse. Das ist zwar anstrengend und nicht immer nur angenehm, aber ein wesentlicher Aspekt, wenn man sich weiterentwickeln will. Unsere Design Sprint

Experten Hardy und Marvin von R&S haben das super gemacht. Auch menschlich hat es gut gematched – was ich als sehr wichtig erachte, da es bei solchen Beratungen schließlich viel um Vertrauen geht.

Vielen Dank für das ausführliche Interview und weiterhin viel Erfolg bei der Heidenheimer Zeitung, lieber Martin und liebe Ann-Christin!

Interview & Text: Anika Keller

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